Fehlversorgung von Menschen mit Demenz

Vor Kurzem erschien der Demenzreport 2020, erstellt von socium und  der Uni Bremen unter der Führung von Prof. Dr. Gerd Glaeske.

Die medizinisch-pflegerische Versorgung pflegebedürftiger, alter Menschen sollte aufgrund der steigenden Multimorbidität von Interdisziplinarität gekennzeichnet sein, die auch die Beteiligung der Angehörigen umfasst. Dies gilt im Besonderen für die Demenz.

So gut das deutsche Gesundheitssystem in der Akut- und Notfallmedizin aufgestellt ist, bei der Behandlung von chronisch kranken Menschen besteht dringender Verbesserungsbedarf.

Allein zehn Prozent der Krankenhauseinweisungen sind auf unerwünschte Wechselwirkungen von Arzneimitteln zurückzuführen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Aber auch beim Umgang mit Neuroleptika oder Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Wozu das Ruhig Stellen, um Pflegepersonal zu sparen, führen kann, sehen wir in den USA. Dort werden nach Angaben von Glaeske durchschnittlich   bereits sechs bis sieben Prozent der an Demenz Erkrankten mit einer Sonde ernährt. Diese Zahl  schwanke stark, zwischen null bis hin zu 38 Prozent.

Glaeske weist im Demenzreport 2020 auf Medikamentenmissbrauch in unserem Land hin.

Menschen mit Demenz erhalten zwei Gruppen von Medikamenten: Zum einen Medikamente, die die Erkrankung verlangsamen sollen und zum anderen Psychopharmaka. Bei den Medikamenten, die die Erkrankung verlangsamen sollen, werden leider immer noch Medikamente verabreicht, die nutzlos sind oder sogar schaden können.

Bei den Psychopharmaka ist Lage aber wesentlich dramatischer. Ca. 30 Prozent der erkrankten männlichen Versicherten der hkk Krankenkassen (waren Unterstützer dieser Studie) erhielten mindestens eine Verordnung eines Neuroleptikums, ein Psychopharmaka, das üblicherweise bei Schizophrenien und Psychosen angewendet wird. Und dieser Verordnungszahlen steigen. Dabei, so Glaeske, ergaben 17 Placebo-kontrollierte, teils unveröffentlichte Studien, dass beim Einsatz solcher stark beruhigenden Neuroleptika bei Demenzpatienten das Mortalitätsrisiko um den Faktor 1,6 bis 1,7 steigt. Da die Evidenz, dass konventiionelle Neuroleptika zu Behandlung von Verhaltenstörungen bei an Demenz Erkrankten sehr dürftig sei, seien die Hersteller dieser Arzneimittel dazu verpflichtet, sog. „Rote-Hand-Zettel“ an die Ärzteschaft zu versenden, in denen auf das Risiko der sog. Übersterblichkeit und des höheren Sterberisikos hingewiesen wird.

Die Ruhigstellung bei älteren Menschen mithilfe dieser Medikamente ist leider weiterhin Praxis, aber keine akzeptable Strategie, so Glaeske weiter. Eine zu geringe Anzahl von pflegerischen und/oder betreuenden Personen dürfe so nicht ausgeglichen werden.

Den gesamten Demenzreport 2020 finden Sie im Internet unter:

hkk_Demenzreport_2020_Web.pdf (uni-bremen.de)